Rezensionen

Wagnis und Verzicht – Die ermutigende Botschaft des Dalai Lama

Dalai Lama, Michael von Brück

Kösel, 2019, 256 S., 20€

 

Der Verlag bewirbt das vorliegende Buch als Dalai-Lama-Buch. Das führte (siehe Amazon-Rezensionen) bei einigen Käufern schon zu Unmut darüber, dass die Beiträge von diesem deutschen Professor so viel Raum einnähmen - es sei also ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dieses Buch den Dialog zwischen Michael von Brück und Seiner Heiligkeit dokumentiert und so etwas wie die Krönung ihres jahrzehntelangen Gedankenaustausches bildet. Da von Brück einer der besten akademischen Kenner der indischen Religionen, Zen-Praktizierender und gleichzeitig ein guter Christ ist, ist er zweifellos wie kein zweiter als Gesprächspartner des Dalai Lama geeignet. Das Buch besteht aus einer kurzen Einleitung von Brücks, in der er die beiden Begriffe „Wagnis“ und „Verzicht“ als Grundprinzipien des Lebens definiert. Den Hauptteil des Bandes bilden die Gespräche der beiden Dialogpartner (S. 17-198), gefolgt von einem Essay von Brücks über „globale Ethik im interkulturellen Kontext“ und drei Reden des Dalai Lama, die um das Thema Mitgefühl und globale Verantwortung kreisen. Die Gespräche behandeln grundlegende Themen wie religiöse Autorität und Selbstverantwortung, interreligiösen Dialog, Erziehung, Wirtschaft, Globalisierung, Ökologie und Ökonomie. In den Äußerungen des Dalai Lama lässt sich als roter Faden die Betonung der Eigenverantwortung und der Vernunft als oberster Instanz ausmachen, was aber mit der Entwicklung positiver Emotionen, der Fähigkeit zu Altruismus und tieferer Einsicht in die Natur der Realität verbunden sein muss (S. 51). Stellenweise klingt S.H. fast wie ein aufklärerischer Religionskritiker des 18. Jahrhunderts und muss sich dann von Brück sagen lassen, dass die „säkulare Ethik“ der Aufklärung in Europa nicht funktioniert hat und es zur Zügelung der Emotionen wohl doch nicht ohne Religion geht (S. 128). Von Brücks Hauptanliegen ist, verkürzt ausgedrückt, die Transformation der bestehenden Religionen im Zusammenhang mit der Herausbildung einer globalen Ethik (S. 200-223). Die Prinzipien, die er hierfür aufstellt, lohnten eine nähere Diskussion. - Ein schönes Beispiel für interkulturellen Dialog; der Leser sollte aber bereit sein, sich auf teilweise sehr tiefgründige Gedankengänge einzulassen.

Thomas Lautwein

 

Der Kaufmann und der Rinpoche

Aljoscha Long und Ronald Schweppe

Diederichs Verlag, 2020, 140 S., 18€

 

Diese Erzählung (Roman), deren Titel wie der eines Märchens daherkommt, kreist um das wichtigste Thema des Lebens: das des Todes. Was passiert mit dem Bewusstsein, der Seele, dem Geist nach dem letzten Atemzug? Wohl kaum eine Religion setzt sich damit so konkret auseinander wie der Buddhismus. Dieses Buch liefert eine höchst anschauliche Beschreibung der Reise durch den/das »Bardo«, den Zwischenzustand der Zeit des Todes.

Der hochbetagte Geschäftsmann Dorjee Wangchuk liegt auf dem Sterbebett und lässt seinen einzigen Freund, den Lama Sonam Tsering kommen. Er hat ein Leben geführt, in dem alles auf materiellen Wohlstand ausgerichtet war und er fühlt nun, dass er dringend spirituelle Unterstützung braucht.

Sein Freund, der Rinpoche, begleitet ihn gemäß der Anweisungen des auch hierzulande recht bekannten traditionellen »Tibetischen Totenbuchs«. 

Diese Reise wird immer wieder mit Rückblicken auf das Leben von Dorjee geschmückt, das mit der politischen Situation in Tibet verwoben ist. Beide Protagonisten werden 1935 geboren, zu einer Zeit als dort noch Leibeigenschaft und feudale Strukturen herrschten. Sonam findet bald einen festen Halt im Leben als Mönch, während Dorjee zwischen Tibet, China und den USA hin und her pendelt und es ihm hauptsächlich auf die, teilweise sogar höchst skrupellose, Vermehrung seines Reichtums ankommt.

Auf diese Weise erfährt der Leser viel Interessantes über die tibetische Kultur, den Buddhismus und die Politik Chinas von Mao bis Hua Guofeng. Ein Glossar der wichtigsten Fachbegriffe und eine kurze Zeittafel ergänzen die Fakten.

Es ist ein Buch über eine tiefe Freundschaft, die mitunter fast unglaubwürdig wirkt, da das Leben, Denken und Handeln von Dorjee und Sonam unterschiedlicher nicht sein könnte. Vermutlich eint sie ihre gemeinsame tibetische und damit auch buddhistische Identität, etwas was sich in aller Welt an der tibetischen Exilgemeinde beobachten lässt.

Nach Verlassen des Körpers begegnet Dorjees Bewusstsein friedvollen und furchterregenden Gottheiten, immer wieder lockt ihn sanftes Licht in die falsche Richtung, hat er Angst vor dem Weg, der zur Befreiung führt. Wir können unserem Karma nicht ausweichen, es verfolgt uns wie ein Schatten, so heisst es und hier wird diese Wahrheit auf eindrucksvolle Weise beschrieben.

Diese Ausführungen sind spannend zu lesen und können inspirierend auf die eigene Praxis wirken. Man wünscht sich selbst so einen Freund, gleichzeitig wird klar, dass man am besten jetzt schon beginnen sollte, sich auf den eigenen Tod vorzubereiten.

Elisabeth Kolb